Angkors Vorbild – die Ruinen von Vat Phou
Januar 2024. Tag zwei in Pakse, Tag zwei auf den Rollern. Denn für uns geht es heute in die kleine Stadt Champasak, die zur gleichnamigen Provinz gehört – genau wie Pakse. Dort liegt die alte Tempelanlage Vat Phou (Wat Phou, Wat Phu). Und wenn man der Legende Glauben schenkt, dann soll sie es gewesen sein, die den Architekt*innen der weltberühmten Tempel von Angkor Wat als Vorbild diente.
Pakse und Champasak liegen rund 35 Kilometer auseinander. Wir brechen gegen 10 Uhr auf – zunächst führt uns unser Weg durch das Zentrum von Pakse, wo wir bisher noch nicht gewesen sind. Es herrscht reger Verkehr, in den wir uns nahtlos einfügen. „Go with the flow“ klingt wirklich abgedroschen, ist aber das beste Motto, um im südost-asiatischen Straßenverkehr zu überleben. Dabei klingt „überleben“ irgendwie zu dramatisch – ich muss zugeben, dass mir die Fahrten richtig Spaß machen. Und wenn man das Prinzip einmal verstanden hat, wird man schnell Teil der Roller-Schwärme, die im Gleichtakt vor den Ampeln anhalten und sich gleichermaßen und prinzipiell immer fünf Sekunden, bevor die Ampel wieder auf grün springt, in Bewegung setzen. Irgendwann bekommt man ein Gefühl dafür, wer im Kreisverkehr zuerst fahren wird oder dafür, wann der Fahrer vor einem abbiegen wird, obwohl der Blinker nicht leuchtet (manchmal ist auch gar keiner vorhanden).
Als wir die Stadt hinter uns gelassen haben, fahren wir vorbei an (Reis-)Feldern, die mal saftig grün und mal schlammig braun den Straßenrand säumen. Vorbei an Tempeln, Wohnhäusern – wobei es viel mehr Wohnhütten sind – und an Schulen, vor denen sich Kinder in schwarzen Röcken und kurzen Hosen mit viel zu großen weißen Hemden tummeln. Immer wieder grasen Kühe, Rinder und Ziegen am Straßenrand und genauso oft entscheiden sie sich dafür, diese spontan zu überqueren. Mehr als einmal fahren wir in Schrittgeschwindigkeit oder mit dem Finger an der Hupe um ein paar Kühe herum.


Die Straßen sind gut in Schuss, nur vereinzelt müssen wir auf Schlaglöcher Acht geben. Als wir Champasak nach rund einer Stunde erreichen, ist die alte Tempelanlage schon ausgeschildert. Die Straßen werden etwas schmaler, wir fahren durch den Ort, der ein paar kleine Shops beheimatet, aber sonst eher einen ruhigen Eindruck macht. Am Wegrand laufen eine Frau und ein Mädchen entlang – Gehwege gibt es fast nirgendwo in Südostasien, außer in den größeren Städten. Die beiden halten sich an der Hand, das Mädchen ist vielleicht drei Jahre alt. In der Hand, mit der sie nicht nach der ihrer Mutter greift, hält sie die Füße eines toten Hahnes, dessen Hals am anderen Ende seines Körpers leblos herabbaumelt.
Verblasster Zauber
Wir biegen in eine kurze staubige Straße ein, die von der Hauptstraße wegführt und nur wenige Meter später auf einen ebenso staubigen Parkplatz. Nach rund eineinhalb Stunden erreichen wir das Gelände von Vat Phou. An einem kleinen Häuschen bezahlen wir eine Parkgebühr, danach stellen wir unsere Roller unter einen zusammengezimmerten Unterstand. Es ist heiß. Wir klopfen uns den Staub von der Kleidung und kaufen in einem kleinen Restaurant auf dem Parkplatz, der voller Kühe ist, etwas zu trinken. Dann machen wir uns auf den Weg zum Tempel.


Zunächst betreten wir die nett hergerichtete Anlage – es gibt einen Souvenirshop mit Tüchern und Handwerk, in dem wir ein Ticket kaufen müssen. Außerdem reichlich Sitzgelegenheiten, einen kleinen Kiosk und extrem saubere Toiletten. Ein paar Meter weiter entwertet ein netter Herr unsere Tickets und bedeutet uns, zu warten. Kurz danach kommt sowas wie ein E-Golf-Kart angefahren (wie verrückt ist das?), das uns zum eigentlichen Beginn der Tempelanlage bringt. Wir fahren etwa 500 Meter einen geraden, staubigen Weg entlang. An dessen Wegrand stehen immer wieder Kühe und Ziegen im trockenen Gras, andere versammeln sich im Schatten der kargen Bäume.
Als wir gegen 12.30 Uhr unser „Taxi“ verlassen, merken wir, wie heiß es eigentlich ist. Na klar – in der Trockenzeit bei größter Mittagshitze durch eine alte Tempelanlage zu gehen, die kaum Schatten spendet – da weiß man eigentlich, worauf man sich einlässt. Wir laufen einen langen mit Steinen gepflasterten Weg entlang, beinahe eine Art Allee, denn seine Seiten sind gesäumt mit dunklen Steinsäulen. Die meisten von ihnen sind abgebrochen, einige fehlen ganz – die Tempelruine am Ende des Wegs lässt sich von hier aus nur erahnen. Bei knackigen 38 Grad knirscht das trockene Gras unter unseren Füßen.

Und dann erhebt sich vor uns ein wunderschöner steinerner Tempel, dessen Giebel mit feinen Reliefs überzogen sind, die irgendwie im Gegensatz stehen zu den derben Felsklötzen, in die sie vor hunderten von Jahren gemeißelt wurden. Vor dem blauen Himmel ragt das Gebäude in die Höhe, dahinter saftig grüne Hügel, denen die Trockenzeit scheinbar weniger zu schaffen macht als dem gelben Gras, auf dem die Ruine steht.






Dass der Stil dem von Angkor Wat ähnelt, steht außer Frage. Krumme Steintreppen führen ins innere des Gebäudes, das ein Karree bildet. Ein Dach gibt es nicht mehr, weshalb die Sonnenstrahlen ungehindert ins Innere fallen. Hier und da stehen hölzerne Stützen an den Wänden, an einigen Stellen wird gebaut. Es macht den Eindruck als würde die Anlage sich größtenteils selbst überlassen – überall liegen trockene Blätter, immer wieder schimmert Müll zwischen dem hohen Gras hervor.
Wir verlassen den alten Tempel. Eine große derbe Treppe aus zusammengeschobenen Steinblöcken führt weiter nach oben. Sie ist gesäumt von Frangipani-Bäumen – zum ersten Mal Schatten. Auch wenn sie ziemlich trocken und krakelig sind, zieren weiß-gelbe Blüten ihre knorrigen Arme. Noch sehen wir nicht, wie weitläufig die Anlage eigentlich ist. Wir machen ein Päuschen auf den steinernen Stufen und beobachten Locals, die Opfergaben aus Blüten und Palmblättern kaufen und niederlegen. Außerdem kleine Vögelchen, die eng an eng in Holzkäfigen sitzen. Eine Tradition, mit der ich auch nach diversen Besuchen in Südostasien nicht warm werde … die Vögel werden gefangen, sie freizukaufen und anschließend freizulassen, bringt Glück. Naja.


Aus der Zeit gefallen
Das zweite Stück der steinernen Treppe führt uns schließlich in den zweiten Teil der Anlage, der reichlich Schatten spendet. Man merkt schnell, dass wir an Höhe gewonnen haben, denn hin und wieder fegt ein (warmer) Wind durch die Bäume und durch unsere T-Shirts, die sonst nur am Rücken kleben. Der Boden ist übersät mit trockenem Laub, es ist ruhig und idyllisch. Ein weiterer, aber wesentlich kleinerer Tempel steht krumm und schief vor uns. Auch er ist über und über mit feinen Reliefs verziert, zwischen den groben Steinklötzen quillt Moos hervor. Im Inneren stehen mehrere steinerne Buddha-Bildnisse jeder Größe, einige von ihnen tragen gold-gelbe Roben, die sich leuchtend von den grauen Felsen abheben.









Im hinteren Teil des Geländes stehen einige Gräber und immer wieder kleine Schreine mit Opfergaben. Es gibt eine Menge zu entdecken und es ist ein bisschen so, als wäre die Zeit an diesem Ort stehen geblieben. Auch wenn heute viel des alten Glanzes verblasst ist, Säulen abgebrochen oder und Gebäude überwuchert sind, so sind die alten Tempelruinen unglaublich beeindruckend. Wie faszinierend und wie schön muss die Anlage seiner Zeit gewesen sein? Wie war wohl der Alltag der Menschen, der in der ehemaligen Königsstadt Champasak lebten, wie waren sie gekleidet, als sie vor 800 Jahren über eben jenen Weg gegangen sind, über den ich zuvor gegangen bin? Heute wirkt das Gelände irgendwie mystisch, was sicherlich auch daran liegt, dass die Bauten größtenteils sich selbst – und der Natur – überlassen werden. Wie sieht es hier wohl in weiteren 800 Jahren aus?







Thongna-Sky-Café
Die Anlage ist die ganze Zeit über angenehm leer, nach etwa zwei Stunden machen wir uns auf den Rückweg. Aber direkt zur Unterkunft geht es für uns nicht. Auf dem Hinweg hatten wir einen kleinen Tempel in Champasak erspäht, der gleichzeitig eine Art „Treffpunkt“ zu sein scheint – auf den Bänken, die direkt am Ufer des Mekong stehen, haben es sich einige Laot*innen gemütlich gemacht, inklusive Essen und Getränken. Wir halten nur kurz und sind wenige Minuten später wieder auf der Straße, denn wir hatten uns im Vorfeld schon ein Café ausgeguckt – Google Maps sei Dank, denn allzu viele Möglichkeiten gibt es hier nicht. Im Vergleich zum Vormittag wirkt Champasak grundsätzlich ziemlich verschlafen. Vielleicht gibt’s in Laos sowas wie eine Siesta? Angemessen wär’s auf jeden Fall.
Nach ein paar Minuten auf der geteerten Straße, biegen wir in einen kleinen schlammigen Weg, der tatsächlich nur eine Rollerbreite breit ist und uns direkt zwischen den Hütten der Locals entlangführt. Am Wegrand picken Hühner, wir weichen Schlaglöchern aus. So schnell der schlammige Weg kam, so schnell ist die geteerte Straße zurück und nach wenigen Metern erreichen wir den wahrgewordenen Insta-Traum. Das „Thongna Sky“ ist relativ versteckt und von der Straße nicht allzu gut einsehbar. Wir biegen wiederum auf einen schmalen steilen Weg, an dessen Ende ein kleiner Unterstand für Roller aufgestellt ist.


Ein schmaler Bohlenweg führt uns über schlammige Felder, auf denen zum Teil knöcheltief das Wasser steht. Die trockenen Palmblätter, mit denen die kleinen Hütten entlang des Steges gedeckt sind, rascheln im warmen Wind. Das Café besteht aus einer Handvoll Bambushütten, die einerseits an dem schmalen Steg befestigt sind und andererseits mit zwei Stelzen mitten in der Erde stehen und einen wunderbaren Blick auf die Felder freigeben. Ziemlich instagramable, allerdings mitten im Nirgendwo. Es ist wenig los und der Ort versprüht eine einsame Ruhe. Wir bestellen eine kalte Kokosnuss und Nudelsalat – auf die Hühnerfüße, die ebenfalls auf der Karte stehen, verzichten wir gerne.


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