
Con Dao: Gefägnis und Bao-Tang-Museum
Vietnam hat eine Geschichte – das weiß beinahe jeder. Con Dao ist vermutlicher einer der Orte, an denen einem dieser Umstand deutlich bewusster wird als anderswo. Klar – es gibt jede Menge Cafés und Frühstückslokale, sogar ein Luxushotel und man adaptiert diese typische Leichtigkeit, die auf asiatischen Inseln herrscht. Auf Con Dao gibt es all das noch nicht besonders lange, unter Einheimischen ist sie bis heute auch als die „Teufelsinsel“ bekannt. Warum? In den 1860er Jahren besetzten die Franzosen die einzig bewohnte Insel des Archipels und errichten über Jahre hinweg zahlreiche Gefängnistrakte. Bis in die 1970er Jahre wurden vor allem politische Oppositionelle eingebuchtet und gequält. Bis dahin ist die Insel nämlich genau das: Eine Gefängnisinsel, auf der man Menschen mit „unpassender“ Meinung ganz wunderbar verschwinden lassen kann. In den 1950er Jahren lösten die Amerikaner und Südvietnamesen die Franzosen ab – die Zwecke, für die sie die Insel und die bestehenden Anlagen nutzten, waren ein und dieselben. Erst mit dem Rückzug der Amerikaner und der Wiedervereinigung des Landes, wurden die Gefängnisse geschlossen. Einige ihrer Insassen ließ man rechtzeitig verschwinden, einige kamen frei – und erzählten grausame Dinge.

Eine der bekanntesten Gefängnisanlagen der Insel nennt sich heute schlicht „Con Dao Prison“. Sie liegt nur wenige Meter vom historischen Museum „Bao Tang“ entfernt, weshalb es sich anbietet, beides zu verbinden. Vor der Einfahrt zum Museumshof steht ein kleines Ticket Office – dort gibt es sowohl das Ticket fürs Museum, als auch für die Gefängnistrakte zu kaufen. Ersteres ist für 10.000 Dong zu haben, für das zweite Ticket bezahlen wir 40.000 Dong. Zusammen sind das knapp zwei Euro. Was man unbedingt beachten sollte: Von 11 bis 14 Uhr ist Mittagszeit und Ticket Office, Museum und Gefängnis sind geschlossen. Das Gefängnis-Ticket ist am selben Tag für vier verschiedene Trakte gültig. Wir belassen es bei einem. Möchte man das Museum und eines oder mehrere der Gefängnisse besuchen, empfehle ich, sich zuerst das Museum anzusehen. Es ist verhältnismäßig sehr modern und wirklich gut gemacht. Es beschäftigt sich mit der Geschichte der Insel, deren Großteil nun mal aus Krieg, Folter und Grausamkeiten besteht. Die ausgestellten Stücke sind Originale und verleihen dem Gesehenen einen großen Brocken Authentizität – und machen betroffen. Sehr berührend sind die vielen Schwarz-Weiß-Portraits, die die Wände zieren. Gefolterte, Getötete, Überlebende. Jeder von ihnen erzählt eine eigene Geschichte, einige davon stehen auf Englisch unter den Bildern. Gebrochene Gliedmaßen, Wandzeichnungen und Momente des Wiedersehens. Die Fotodokumentation macht das Geschehene so erstaunlich greifbar, so erstaunlich absurd.

Ein seltener Anblick: Der ehemalige Insasse Lê Văn Thuc umarmt seine Mutter. Viele Fotos von Befreiten zeigen schwerbehinderte und verwirrte Menschen. Die meisten von ihnen können nach langer Folter nicht mehr laufen, sondern nur mit den Händen „krabbeln“.
Das Museum vermittelt die Vergangenheit mit Fotografien, Schriftstücken, Waffen, allerhand Kleidung oder alten Modellen der Insel. Im Con Dao Prison angekommen, findet man sich inmitten des Vergangenen wieder. Der Stacheldraht, das Krematorium, die Zellen. Jeder, der je ein Konzentrationslager besucht hat, wird Parallelen erkennen. Traurige Berühmtheit erlangten die Con-Dao-Gefängnisse durch ihre sogenannten Tiger Cages: Steinerne Zellen, zum Beispiel in den Boden eingelassen, die an der oberen Seite mit einem Gitter verschlossen sind. Lebensgroße Figuren stellen Szenen von damals nach – sie stochern mit spitzen Stäben in die Cages hinab. Wodie Gefangenen auf engstem Raum hocken, liegen, kauern. Ihre Fußknöchel sind durch eiserne, im Boden verankerte Schlingen gezogen. Aufstehen? Kaum möglich. Wir sind beinahe die einzigen Besucher. Ungewollt erschrecken wir eine Frau, als wir um die Ecke biegen – dieser Ort ist gespenstisch. Trotz strahlendem Sonnenschein und sengender Hitze ist die Stimmung alles andere als freundlich. Es ist kaum vorstellbar, was vor nicht einmal einem halben Jahr Hundert hinter den Zellentüren, in den Kammern, auf den Höfen geschehen ist. Wie viel Elend und Hass dieser Ort hervorgebracht hat, wie viel Menschliches er den Wärtern und wie viel Würde er den Insassen geraubt hat. Einige der schweren Eisentüren sind verschlossen, andere sind nur angelehnt. Ich traue mich nicht, eine davon anzufassen, geschweige denn, sie zu öffnen. Das Sonnenlicht funkelt in den Glasscherben, die das obere Ende der Steinmauern säumen, der blaue Himmel hat beinahe etwas Ironisches.

Wir streifen über das Gelände. Es wirkt verlassen, eigentlich wie einer dieser „lost places“, die dann in irgendeiner Fotoreihe abgedruckt werden. Alles ist mehr oder weniger heruntergekommen. Einige der größeren Gebäude – früher wahrscheinlich Massenzellen – werden als Abstellkammern genutzt. Hinter den Gittertüren stehen Sandsäcke, Holzlatten oder Schubkarren. In anderen Räumen riecht es modrig, auf dem Boden liegen Zigarettenkippen. Bis auf ein paar Sätze, die auf der einzigen Infotafel des Traktes stehen, erfährt man vor Ort leider nichts über das Gefängnis. Schon allein deshalb lohnt sich das Museum. Allzu gut in Schuss gehalten wird das Gefängnis insgesamt nicht. Vielleicht macht es das aber auch authentischer? Im Eingangsbereich gibt es allerdings eine sehr saubere Toilette – ist ja auch immer gut zu wissen.
Das Con Dao Prison ist sehenswert, wenn auch bedrückend. Für mich gehört es aber doch dazu, sich auch mit den unschönen Seiten eines Landes oder eben einer Insel auseinanderzusetzen. Etwa 1,5 Kilometer entfernt befindet sich übrigens ein Friedhof, auf dem viele der ehemaligen Insassen begraben liegen – diesen haben wir allerdings nicht besucht. Viele Vietnamesen kommen regelmäßig hierher, auch von außerhalb. Eines der Gräber verehren sie besonders. Es ist das der Nationalheldin Võ Thị Sáu. 1952 wurde sie im Con Dao Prison mit nur 19 Jahren hingerichtet. Schon als Schulmädchen begann sie, gegen die französische Kolonialherrschaft anzukämpfen. Heute steht sie für die Revolution und wird von den Vietnamesen als Ahnengeist verehrt, dem sie mit Blumen, Speisen oder anderen Opfergaben Respekt zollen.
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