Bergen,  Norwegen

Bergen – Norwegens zweitgrößte Stadt

Wir fahren von Geiranger nach Bergen – etwa sechseinhalb Stunden. Plus Pausen. Ein ganzes Weilchen also. Macht aber nichts, denn der Weg ist alles andere als öde. Ziemlich spektakulär sogar. In Geiranger gestartet, fahren wir zunächst die üblichen Serpentinen entlang, auf etwa 1000 Meter über dem Meeresspiel erreichen wir den höchsten Punkt – „1000 m over havet“. Ganz schön düster hier oben. Und kalt. Zwischendurch hat es draußen 6 °C. Es ist unglaublich neblig und wolkenverhangen. Der Regen, der uns drei Tage zuvor begrüßt hat, verabschiedet uns heute gleichermaßen. Mir soll’s recht sein, beim Abschied ist er mir deutlich lieber. Außerdem haben wir ja noch ein Weilchen vor uns – und schön ist es alle mal. Ob mich sechs Grad Celsius im August davon abhalten, Fotos zu machen? Garantiert nicht. Wir machen das eine oder andere Päuschen, um die Schönheit der Täler samt Nebenschwaden einzufangen. Die Serpentinen halten an, irgendwann passieren wir einen Tunnel nach dem nächsten, ab durch die Berge.

Auf den Spuren der Hanseaten: Bryggen, das alte Handelsviertel

Bergen hat Geschichte. Das haben wohl die meisten Hafenstädte, in denen der Handel einst blühte und die in vergangenen Zeiten zu wichtigen Umschlagplätzen für Waren aller Art gehörten. Der historische Stadtteil Bryggen ist seit 1979 UNESCO-Weltkulturerbe und gilt als einer der ältesten Handelsposten Nordeuropas. Im 14. Jahrhundert kamen die deutschen Hanseaten, also Händler, nach Bergen und blieben rund 500 Jahre. Sie durften nur in diesem Stadtteil leben, Männer mussten unverheiratet sein und eine ansässige Frau heiraten. Es entwickelte sich ein eigenes Dorf mit eigenen Regeln, Gesetzen, einem eigenen Baustil. 1702 gab es ein schlimmes Feuer, viele Bauten wurde rekonstruiert. In den 1960er Jahren wurde das Viertel – oder zumindest einige Häuser – komplett restauriert. Bei den alten Bauten handelt es sich primär um sogenannte SjØstue: Häuser, deren Fronten zum Hafen zeigen, ein Wohnzimmer hatten, ein Händler-Büro sowie Stauraum besaßen. Die bekannte Häuserreihe, die ein beliebtes Fotomotiv ist, beherbergt heute hauptsächlich kleine Shops mit Souvenirs (von Norwegerpullis bis Hirschgeweihe), Deko und Co. In einigen sind Kunstateliers, nette Cafés oder kleine Museen eingerichtet.

Schlendert man durch das Viertel, kann man sich ein klein wenig in die damalige Zeit hineinversetzen: Es fühlt sich tatsächlich an, wie ein eigenes kleines Dorf am Hafen der großen Stadt. Alles ist aus Holz, hinter den Häuserfassaden tut sich quasi ein hölzernes Ökosystem auf, über den Köpfen sind viele der Bauten durch Holzstreben miteinander verbunden, der Boden ist mit Dielen bedeckt, von denen die Schritte widerhallen. Es erinnert ein bisschen an einen Weihnachtsmarkt – und auf einem Schild lese ich sogar, dass es im Winter wohl in der Tat eine kleine Weihnachtswelt in diesem Viertel gibt. Zugegeben: Das Ganze ist schon sehr auf Tourist*innen ausgelegt. Macht aber nichts. Bryggen ist wirklich hübsch anzusehen und noch dazu hat das Viertel einen echten, interessanten Ursprung, an den mit Tafeln und einzelnen Denkmälern erinnert wird. Definitiv sehenswert.

Aber nicht nur in diesem historischen Viertel lohnt sich ein Besuch. Auch der übrige Teil der weiteren Innenstadt ist wirklich charmant. Ein wenig erinnert mich Bergen an London. Nicht alles, die klassischen bunten holzvertäfelten Häuser eher weniger. Die weiß getünchten Backsteinhäuser mit Gusseisernen Treppengeländern, kleinen Balkonen, Hortensien im Vorgarten und goldenen Türknäufen schon eher. Die Häuser stehen zu großen Teilen eng an eng, sind verwinkelt. Kleine Gassen führen zwischen den Bauten entlang, des einen Hinterausgang führt beinahe über den Balkon des anderen. Der Gang um beinahe jede Ecke und der Blick über die meisten Mäuerchen entlocken mir ein „ohhh“ – denn Bergen ist neben den buten Häusern voll mit Antiquitäten- und Trödelläden, mit Statuen, Street Art und kleinen Kirchen. Natürlich gibt es auch eine moderne Einkaufsstraße, denn man darf bei aller Tradition auch nicht vergessen, dass Bergen mit (gerade einmal) 285.000 Einwohner*innen die zweitgrößte Stadt des Landes, Ausgangspunkt für die Hurtigruten und ihr Hafen immer noch ein wichtiger Handelspunkt in Europa ist.

Plötzlich im Grünen

In Bergen gibt es eine Standseilbahn – die FlØibanen. Sie fährt auf den FlØyen, quasi der Hausberg Bergens. Aber: Am Rande der Bahnstation führen auch Stufen entlang. Wir entscheiden uns dafür, zu sehen, wohin sie führen. Joa – sie führen nach oben, hätte man sich denken können. Stufen und geteerte Wege wechseln sich ab, irgendwann gehen sie in geschotterte, kurvige Wanderwege über. Nach einer Weile wird’s ziemlich steil, es gibt aber immer wieder Bänke, auf denen man ein Päuschen mit netter Aussicht machen kann. Alles ist gut ausgeschildert, auch weitere Routen. Geschätzt ist der Weg nach oben etwa zwei bis zweieinhalb Kilometer lang und erstreckt sich über rund 300 Höhenmeter. Von oben hat man eine schöne Aussicht über Bergen, ein Café gibt’s auch – das haben wir allerdings nicht besucht.

Mein Fazit: Es macht einfach Spaß, durch Bergen zu schlendern. Auch ohne ein bestimmtes Ziel oder Vorhaben, kann man gut und gerne zwei, drei, vier Stunden in der Stadt verbringen. Es gibt reichlich Cafés und Restaurants (das Vegan Vacation ist übrigens super!), in denen man zwischendurch auf ein Getränk und ein Stück Kuchen vorbeischauen kann. Eine sehr charmante Stadt.

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..