Bangkok,  Reisetagebuch,  Thailand

Ein etwas anderer Silvesterabend

31.12.18

Für den heutigen Tag haben wir eine kleine Tempeltour geplant. Den Silvesterabend möchten wir traditionell thailändisch verbringen – aber dazu später mehr.

Das Frühstück im Hotel ist super, die Portionen mehr als ausreichend. Wir bekommen eine Speisekarte mit rund zehn Gerichten darauf: Müsli mit Joghurt und Obst, Pancakes, Omelette. Neben verschiedenen Kaffeevariationen werden uns außerdem verschiedene Shakes angeboten. Nach dem Essen machen wir uns auf den Weg zum nächstgelegenen Pier, der gerade einmal fünf Gehminuten von unserem Hotel entfernt liegt. Pier Nummer 15, „Thewet“, ist vergleichbar mit einer Bushaltestelle – nur eben für Boote. Wir verlassen unser Hotel und biegen rechts ab. Nach wenigen Metern liegt auf der gegenüberliegenden Seite ein 7Eleven, nach ein paar weiteren Metern stehen wir vor einem großen, weißen Torbogen und biegen links ab. Die kleine Gasse, die wir betreten, zeigt das echte Thai-Leben fernab der Touristenpfade. Thais sitzen vor ihren Wohnungstüren und putzen Schuhe, kochen, falten Wäsche oder transportieren Güter auf einem Karren durch die Straße. Am Ende der Gasse liegt eine kleiner Platz, der uns nach rechts in eine weitere kleine Straße führt, die am Rande des Flusses liegt. Nach einigen Metern liegt auf der linken Seite eine Brücke, die wir überqueren. Jetzt noch rund 100 Meter rechts herum und wie erreichen den Pier. Und dort ist einiges los – Restaurants und Obsthändler verkaufen Waren an Touristen und Einheimische, die Leute warten auf ihr Boot.
An einem kleinen Tisch sitzt eine freundliche Frau, die Fahrpläne der verschiedenen Bootslinien sind übersichtlich auf einem Schild notiert. Unser Boot kommt nach wenigen Minuten und wir fahren Richtung Königspalast. Die Fahrt ist toll, das Publikum im Boot bunt gemischt: Von jung bis alt, Arbeiter bis Geschäftsfrau, Einheimische und Touristen. Es macht Spaß, das Treiben und den Alltag der Menschen zu beobachten, der für sie so normal und für uns so besonders ist. Nachdem wir am Pier in der Nähe des Königspalastes anlegen, steigen wir aus und kaufen uns gleich das nächste Ticket, um für vier Baht pro Person (11 Cent!) auf die gegenüberliegende Seite zum Wat Arun zu fahren. Zu meinem liebsten Tempel.

Schon von außerhalb der Mauer ist zu erkennen, dass an diesem letzten Tag des Jahres einiges los zu sein scheint. Für 50 Baht pro Person sehen wir uns den Tempel an. Unsere Vermutung bestätigt sich: Es ist extrem voll. Und dennoch: Der Wat Arun ist einfach wunderschön. Der letzte Treppenabschnitt, der auf die Spitze des großen Turmes führt und einen tollen Ausblick bietet, ist leider gesperrt. Aber auch ohne diesen Ausblick ist der Wat Arun immer einen Besuch wert. Nachdem wir ein paar Runden gemeinsam gedreht haben, setzt sich Philip unter eine Markise in den Schatten – ich schnappe mir meine Alpha 6300 und ziehe los. Am Himmel ist kein Wölkchen zu sehen, die weiß getünchten Mauern und Türme ragen in die Höhe, voll besetzt mit bunten Kacheln und Blumen aus Keramikbruchstücken. Wie in beinahe jedem Tempel Thailands sind auch im Wat Arun, was übersetzt so viel wie „Tempel der Morgenröte“ bedeutet, Garudas zu finden. Ein Garuda ist ein Götterbote, dessen Körper zur Hälfte dem eines Menschen und zur Hälfte dem eines Adlers gleichkommt. Als einziges Wesen dürfen sie oberhalb des Kopfes des Königs stehen. Außerdem ist der Garuda das offizielle Emblem des thailändischen Königs und darf ausschließlich auf königlichen oder religiösen Gebäuden oder Papieren abgebildet werden.

Bei der Menge an Menschen ist es gar nicht so einfach, die hübschen Details des Tempels einzufangen. Aber die bunten Türme, die in den Himmel ragen, sind nicht weniger beeindruckend. Nachdem ich jeden Zentimeter des Tempels festgehalten habe, sammle ich Philip ein und wir verlassen das Gebiet um den Tempel. Ein kleiner Extra-Eingang trennt den Wat Arun von einem weitläufigen Gelände. Dort gibt es ein paar wenige Shops, in denen Getränke, Kleinigkeiten zu essen, Tücher, Holzfiguren und allerhand Schnickschnack angeboten werden. Entlang der weißen Tempelmauer fließt der Chao Praya. Wir setzen uns in den Schatten der Mauer und beobachten asiatische Touristen, die sich mit einer traditionell thailändisch gekleideten Frau ablichten lassen, Victory-Hände in die Luft strecken und der Mitarbeiterin der Tempelanlage anschließend ein paar Münzen in die Hand drücken.

Wir raffen uns auf. Das nächste Ziel: der Golden Mount. Auf seiner Spitze steht der Wat Saket – der Tempel des goldenen Berges. Er liegt etwa zweieinhalb Kilometer vom Wat Arun entfernt. Um ihn zu erreichen, müssen wir zunächst wieder auf die andere Seite des Chao Prayas. Wir verlassen die Tempelanlage um den Wat Arun, um uns direkt vor dessen Mauer ein Ticket für das Boot zu kaufen, das beinahe im Minutentakt den Fluss überquert. Ein Moment der Ernüchterung: Die Schlage vor dem Bootsanleger scheint endlos lang zu sein. Wir kämpfen uns ans Ende der Menschenreihe, die sich in einer engen Straße sammelt und links und rechts teilweise von kleinen Essensständen umgeben ist. Die Sonne steht hoch am Himmel, es muss etwa 12 Uhr am Mittag sein. Über die Tatsache, dass die Sonne knallt, es 35 Grad heiß ist und wir beide nicht eingecremt sind, tröstet das wahnsinnig authentische Sträßchen hinweg. Ein paar alte Autos, die offensichtlich seit Jahren nicht mehr bewegt wurden, säumen den Weg. Bei einigen fehlen Reifen, andere sind mit dreckigen Plastikplanen abgedeckt. Schneller als erwartet, bewegen sich die wartenden Menschen Richtung Pier. Zu unserer Rechten kochen Frauen über den Gasflammen zweier rostiger Herde, ein Kind sitzt daneben und lässt es sich schmecken. Auf der linken Seite des Weges verkaufen Händler Suppen, die sie in Plastiktüten abgefüllt haben sowie andere fertige Gerichte zum Mitnehmen.

Endlich kommen wir am Bootssteg an. Sobald das Boot mit Menschen vollgestopft ist – anders kann man es nicht sagen – setzt es sich langsam in Bewegung und schippert auf die andere Seite des Ufers. Wieder ist alles dabei: Von Mönchen und Schulkindern bis hin zu Touristen und Händlern, die ihre Waren transportieren. Nach wenigen Minuten kommen wir auf der anderen Seite, in der Nähe des großen Palastes, an. Weil wir Bangkok auch zu Fuß erkunden möchten, laufen wir zum Golden Mount – zweieinhalb Kilometer sollten zu schaffen sein.


Wat Saket oder Golden Mount – der Tempel des
goldenen Berges

Wir machen uns auf den Weg durch das „echte“ Bangkok, abseits vorgegebener Pfade. Gleich zu Beginn kommen wir an einen Park nahe dem Königspalast, dessen Eingangstor von zwei riesigen Würgefeigen mit etlichen Luftwurzeln bewacht wird. Ein Eichhörnchen flitzt über den mit Metallblumen verzierten Zaun. Eine Hand voll Omis sitzt im Schneidersitz im Gras und diskutiert lautstark. Bis auf ein paar Jogger und andere Touristen ist nicht viel los. Kitschige Ballonbuchstaben schmücken einen goldenen Brunnen und kündigen den Jahreswechsel an.

Wir setzen uns auf eine Bank an einem kleinen Teich und beobachten einige Vögel, die am Teichufer ihre Schnäbel ins Wasser strecken. Weiter geht’s, der größte Teil des Wegs zum Wat Saket liegt noch vor uns. Wir kommen vorbei an wunderschönen Häuserfassaden. Manche würden sie sicherlich als heruntergekommen oder abgewohnt bezeichnen: Ihr Anstrich blättert ab, die Fassaden sind schmutzig und die Straßen von einem Wirrwarr aus Stromleitungen gesäumt. Für mich verkörpert diese Gegend ein authentisches Bangkok, ein authentisches Thailand. Viele der bunten Ladeneingänge sind geschlossen, es ist Mittag. In einem der geöffneten Geschäfte kaufen Thais orangefarbene Blumenketten, sogenannte Phuang Malai. In Thailand werden sie zu jedmöglichem Anlass verschenkt. Zu kaufen gibt es sie fast überall – die bunten Blüten sieht man an kleinen Straßenständen, in Geschäften aller Art, selbst in den Supermärkten. Ein golden leuchtender Laden fängt unseren Blick. Angeboten werden Buddhas und heilige Figuren in jeder Form, in jeder Größe und in jeder Preiskategorie. Wir kreuzen die Giant Swing, eine riesige rote Schaukel, sowie einen Nebenarm des Chao Prayas. Gleich geschafft. Kleine Schilder weisen uns den Weg zum Tempel. Unterwegs waren wir etwa 30 Minuten.

Von außen sieht man nur wenig vom goldenen Berg, der Eingangsbereich ist recht unspektakulär. Wir gehen durch das geöffnete Tor und folgen einem schmalen Weg, der von einem kleinen Mäuerchen und einigen Pflanzen begrenzt wird. Der Weg wird immer breiter und mündet schließlich in einem Platz. Plötzlich ist ganz schön was los. Einheimische können den Berg kostenlos betreten, für 50 Baht pro Person dürfen auch wir uns auf den Weg nach oben machen. Etliche Menschen „belagern“ die Treppe und fotografieren die verschiedenen Figuren und Inschriften, die auf deren Seiten zu finden sind. Oder sich selbst – vor den Figuren, neben den Figuren, mit den Figuren. Auf dem spiralförmigen Weg nach oben, liegen mehrere „Zwischenstockwerke“, auf denen aneinandergereihte Tempelglocken zu finden sind. Die meisten Besucher berühren sie oder nutzen die bereitgestellten Stäbe, um den Glocken einen Ton zu entlocken. Je höher wir kommen, desto beeindruckender wird die Aussicht. Goldene Türmchen ragen in die Luft, daneben graues Wellblech neben orange gekachelten Tempeldächern, ein paar hundert Meter entfernt erste Wolkenkratzer – die Vielfalt Bangkoks ist auch von oben deutlich zu erkennen.

Auf der breiten Treppe nach oben verteilen sich die vielen Menschen recht gut – an der Spitze des Berges ist das schon anders. Der Platz um den eigentlichen Tempel und der Tempel selbst sind brechend voll, den Hauptraum betreten wir erst gar nicht. Es ist warum und extrem stickig. Vor den offenen Fenstern funkeln kleine Metallplättchen, sie sind entlang der Dachkante angebracht. Schnell wieder raus. Nur kurz genießen wir noch einmal die Aussicht, bevor wir uns recht zügig wieder auf den Weg nach unten machen. Dort angekommen, setzen wir uns auf eine Bank und beobachten Spender, die als Dankeschön einen Wunsch auf eine Art geprägtes, goldenes Blatt aus Blech schreiben dürfen. Sieht hübsch aus, wie die vielen Plättchen einen Baum schmücken. Wir ziehen weiter und machen schnell das nächste Päuschen: In einem kleinen Park setzen wir uns erneut und freuen uns über die vielen Katzen, die es zu streicheln gibt. Bakterien? Krankheiten? Wird schon nichts passieren. Nach etwa 30 Minuten Fußweg erreichen wir das Hotel. Erstmal kurz hinlegen.


2019 – here we come

Nach dem Nachmittagsschläfchen machen wir uns frisch. Unser Plan für den Silvesterabend? Mit den Thais traditionell feiern – und zwar mit Essen und Trinken auf der großen Wiese vor dem Königspalast. Also: Auf in die Stadt. Unterwegs passieren wir einen hübsch beleuchteten Park – erstmal testen, was die Kamera so hergibt. Kleiner Fun Fact am Rande: Vor zwei Jahren saßen wir morgens um 8 Uhr in genau diesem Park, der mitten auf einer großen Verkehrskreuzung liegt. Im Gras. Mit Obdachlosen. Wir waren seit 24 Stunden wach, konnten noch nicht in unser Hotelzimmer und haben bereut, nicht einen Flug später genommen zu haben. Naja, an diesem Abend erscheint uns der Park in einem ganz anderen Licht – könnte an den etlichen Lichterketten liegen, die die Bäume im und um den Platz schmücken. Oder daran, dass wir nicht hundemüde im Dreck setzen. Auf den Straßen ist ziemlich viel los, wir sehen Touristen, aber auch viele Einheimische. Unterwegs kaufen wir uns noch ein paar Getränke und Kekse, ist ja schließlich Silvester. Nach etwa 45 Minuten Fußweg erreichen wir die Wiese am Königspalast. Das Gelände ist von Zäunen umgeben, Wachpersonal steht neben dem Eingang. Die Wiese ist voll mit Thais. Was sofort auffällt: Beinahe alle sind weiß gekleidet. Am langen Ende der Wiese ist eine kleine Bühne aufgebaut, die mit goldenen Ornamenten geschmückt ist und – natürlich – das Gesicht des regierenden Königs zeigt. Obwohl das thailändische Neujahr „Songkran“ erst im April stattfindet, feiern viele Thais auch das westliche sowie das chinesische Neujahr.

So richtig wohl fühlen wir uns nicht. Anders als erwartet, ist die Stimmung nicht ganz so „locker“, wie wir erwartet hatten. Trotzdem stellen wir uns erst einmal an die Seite und warten ein bisschen. Nach kurzer Zeit betritt ein Mönch die Bühne. Er beginnt gebetsartig in ein Mikrofon zu sprechen, die Thais lauschen gespannt. Wir fühlen uns fehl am Platz und beschließen weiterzuziehen. Wohin? Keine Ahnung – wir laufen einfach mal los. Ein wenig planlos ziehen wir durch die Straßen Bangkoks. Die erste Anlaufstelle wird für viele Touristen sicherlich die Khao-San-Road sein – am Silvesterabend sicherlich kaum auszuhalten. Was wir eigentlich wollen, wissen wir gar nicht so richtig. Und so richtig zufrieden mit dem Verlauf des Abends sind wir auch nicht. Irgendwo haben wir gelesen, dass es um den Wat Arun ein Feuerwerk geben soll. Da wir wieder in der Nähe des Königspalastes sind, beschließen wir, zum Pier zu gehen. Dort treffen wir auf einige Thais, die in dem kleinen Restaurant sitzen, das sich auf der Plattform um den Steg befindet. Offenbar ist das Restaurant gleichzeitig deren zuhause, die Plattform ist quasi ihre Terrasse – auch nicht schlecht. Wir setzen uns auf eine Bank am Pier. Immer wieder kommen andere Ausländer – die Thais würden „Farangs“ sagen – vorbei und fragen nach dem Feuerwerk am Wat Arun. Manche bleiben, die meisten gehen wieder.

Mit Keksen, Bier und Wasser sitzen wir also am Chao Praya und warten auf das neue Jahr. Irgendwie nicht so spektakulär. Und auch ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Ich will ehrlich sein: Ein wenig enttäuscht bin ich schon. Wahrscheinlich, weil die Realität so unwahrscheinlich weit von der Vorstellung in meinem Kopf entfernt liegt. Die Vorstellung mit der Wiese und dem Königspalast und dem Essen und dein Einheimischen. Stattdessen sitzen wir auf einer Bank am Fluss – und das klingt tatsächlich romantischer als es ist. Aber was soll’s, ändern können wir es eh nicht. Und: Mit der Zeit hebt sich meine Stimmung auch wieder. Vielleicht haben die Oreos ihr Übriges getan. Außerdem verstehe ich diesen Silvester-Hype eh nicht so ganz. Der Tempel auf der anderen Seite des Flusses wird ringsherum angestrahlt. Im Dunklen habe ich meinen liebsten Tempel noch nie gesehen. Um Mitternacht geht es los: Um den Wat Arun steigen Raketen in den Himmel. Nicht so riesig und opulent wie wir gelesen haben, vielleicht hätte man dazu auf der anderen Seite stehen müssen. Aber die leuchtenden Muster, die das Feuerwerk um den hell erleuchteten Tempel in den schwarzen Himmel malen, sehen trotzdem toll aus. Und plötzlich bin ich doch ganz rührselig. Eventuell, aber auch nur vielleicht, muss ich ein Tränchen herunterschlucken. Ja okay – herunterschlucken hat nicht funktioniert. Ich darf das neue Jahr in Bangkok beginnen. Vor mir der beleuchtete Wat Arun. Ist das nicht wundervoll genug?

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