
Beautiful Gent – mit Kurzbesuch in Brüssel, Brügge und Oostende
Gent hat für mich etwas von einem riesigen Freilichtmuseum. Das Kopfsteinpflaster, die alten plakativen Häuserfassaden, die Kanäle mit den Geranien an den Geländern. Natürlich sieht nicht ganz Gent so aus, sondern vor allem die historische Altstadt – der Teil, in dem man sich als Tourist*in wahrscheinlich auch überwiegend aufhält. Aber auch etwas außerhalb fallen die verklinkerten Häuser mit den Gusseisengeländern ins Auge. Gent erinnert mich an eine Mischung aus Holland, Frankreich, aber auch England.

Es gibt natürlich super viele Fahrräder und die Hauseingänge befinden sich quasi direkt am Gehweg – das kenne ich so nur aus Holland, glaube ich. Was mich total an Großbritannien erinnert: Die vielen Kirchen, Burgen und Klöster, deren grobe graue Steine die hübschen und oft filigran verzierten Hausfassaden durchbrechen. Außerdem gibt es eine Menge Restaurants und Bars, was sicherlich daran liegen kann, dass in Gent viele Studierende leben – wenn ich mich recht erinnere, dann sind knapp 20 Prozent der Einwohner Studierende. Sicherlich auch ein Grund dafür, dass es abends sehr belebt war in der Stadt.





Was man wissen muss: Man kann mit dem Auto nicht einfach so in alle Bereiche der Stadt fahren. Gent hat 2020 eine Low-Emission-Zone eingeführt. Das bedeutet zum einen, dass die Stadt in verschiedene Park-Zonen unterteilt ist: In der roten Zone darf man maximal drei Stunden parken (abhängig von der Tageszeit), in der orangenen Zone kann man mit Parkschein langfristig parken (in einer solchen Zone haben wir geparkt und haben in der Molenaarstraat mit 6 Euro/Tag einen Schnapper gemacht), außerdem gibt es zwei weitere Zonen, deren Spezifika ich allerdings nicht kenne. Zum anderen bedeutet es, dass alle ausländischen Besucher*innen ihr Auto vorher anmelden müssen. Das Ganze geht online, schnell und ist kostenlos – man muss es eben nur wissen. Wird kontrolliert und das Auto ist nicht angemeldet, sind 150 Euro fällig. In Brüssel liegt die Strafe bei 350 Euro. Die Anmeldung für Gent und Antwerpen gibt’s übrigens in einem Abwasch, für Brüssel ist eine separate Registrierung nötig.

Einfach nur treiben lassen
So wirklich viele Sehenswürdigkeiten oder ähnliches kann ich gar nicht empfehlen. Wie in so vielen Städten lautet die Devise meiner Meinung nach eher: Geh los, sieh dich um, gönn dir Kaffee und Kuchen in einem netten Café am Straßenrand, entdecke die Stadt, mach Pause in einem Park, trink eine kalte Limo und lass dich treiben. Und das funktioniert in Gent wirklich gut. Wir haben einige Läden ausprobiert, mehr dazu gibt’s im zugehörigen Beitrag.
Die Graffiti-Straße ist nett anzusehen und führt sowieso durch die Stadt. Dabei handelt es sich um eine typische kleine Gasse, die aber über und über mit Graffitis bedeckt ist (klar, was sonst bei dem Namen). Sie ist allerdings weder besonders lang, noch ist dort herausragende Graffiti-Kunst zu finden. Viel mehr ist es ein buntes Sammelsurium, was allerdings auch Charme hat. Verlässt man die Gasse (aus Richtung Zentrum kommend), liegt auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein Wizard Store. Leider leider lohnt sich ein Besuch nicht. Als Potterhead hatte ich mich darauf natürlich gefreut, aber man kann sich den Abstecher tatsächlich sparend. Absolut nichts Außergewöhnliches, nicht gerade liebevoll hergerichtet (obwohl der alte Keller eigentlich die besten Voraussetzungen bietet) und eher billiger Merch – schade.





Sankt-Bavo-Abtei: Verwunschenes Kloster mit Charme
Einen Besuch in diesem alten Kloster kann ich allerdings guten Gewissens empfehlen. Es liegt nur wenige Minuten vom Zentrum entfernt und liegt völlig verlassen da. Der Eintritt ist frei und die alte Klosterruine wird nicht groß beworben oder ähnliches – es war eher Zufall, dass wir davon gelesen haben und in einem passenden Moment vorbeigelaufen sind.
Als wir durch den kleinen angelegten Park laufen und das anschließend das alte Gelände betreten, fühlen wir uns tatsächlich direkt in eine andere Zeit zurückversetzt. Denn die alte Abteil ist sämtlichen Naturgewalten unterlegen: Der Innenhof und die Seitenarme sind der Witterung ausgesetzt, das Efeu überrankt alte Monumente, Grabplatten lehnen ungeschützt an den Wänden. Lediglich ein großes Bauwerk, das Refektorium, der ehemalige Speisesaal ist überdacht – darin sind alte Grabplatten den Wänden entlang aufgereiht. Das gesamte Gelände wirkt irgendwie verwunschen, vermutlich, weil es eben kaum hergerichtet ist. An allen markanten Stellen befinden sich allerdings Infotafeln mit QR-Code, hinter dem sich einige Infos zu den jeweiligen Bereichen der alten Abtei verbergen. Das Ganze ist sicherlich nicht tagesfüllend, aber eine Stunde kann man sich dort sicherlich aufhalten und die Winkel des Klosters entdecken.



Alles in allem würde ich sagen, dass zwei volle Tage ein passender Zeitraum sind, um Gent zu erkunden. Man hat dann ausreichend Zeit, alles ohne Hektik zu entdecken und kann dennoch das eine oder andere Must-See mitnehmen. Möchte man sich ein bestimmtes Museum oder ähnliches ansehen und dennoch nicht darauf verzichten, die Stadt zu Fuß zu erkunden, macht es sicherlich Sinn, einen halben Tag dranzuhängen.
Kurzbesuch in Brüssel, Brügge und Oostende – Atomium ftw!
Auf dem Hinweg haben wir in Brüssel Halt gemacht, um einen Happen zu Mittag zu essen. Viel mehr gibt es an dieser Stelle auch gar nicht zu sagen. Viel wichtiger: Unser Halt auf dem Rückweg nach Deutschland. Wir haben erneut einen Stopp in Brüssel eingelegt – genauer gesagt am Atomium. Und was soll ich sagen? Ich bin total begeistert! Damit hatte ich irgendwie gar nicht gerechnet. Das Gebilde, das Bauwerk, das Konstrukt (wie nennt man das Ganze denn am besten?) war super imposant. Gebaut für die Weltausstellung im Jahr 1958, muss das Atomium damals der absolute Knaller gewesen sein. Ich habe die ganze Zeit nur gen Himmel geschaut. Aber auch im Atomium selbst war es toll. Ehrlicherweise wusste ich zuvor gar nicht, dass das Werk überhaupt ein Innenleben hat. Zur Zeit des Baus war der Fahrstuhl, der Besucher*innen vom „Basisatom“ ins oberste bringt mit fünf Metern pro Sekunde der Schnellste Europas.




Das Atomium wurde, wie gesagt, zur Weltausstellung 1958 gebaut, um die Rolle Belgiens in der Industrie und der Metallverarbeitung zu präsentieren. André Waterkeyn, damals Ingenieur bei einem Unternehmen für Metallverarbeitung, designte das Atomium. Es stellt einen Eisenkristall (kein Molekül) mit neun Atomen dar – in 165 milliardenfacher Vergrößerung. Es sollte in gewisser Weise auch Frieden symbolisieren, zumindest den friedlichen Einsatz der Atomenergie als Energiequelle und nicht weiterhin als gefährliche Waffe. Die Weltausstellung (die erste nach dem zweiten Weltkrieg) locke damals 42 Millionen Besucher*innen nach Belgien, über 40 Länder präsentierten sich. Sie sollte vor allem Aufbruch, technischen Fortschritt und neuen Wohlstand symbolisieren. Außerdem wandelte sich die Rolle der Frau: Auf Bildern des Atomiums von damals sind oft junge Frauen, Hostessen, abgebildet. Sie empfingen die Gäste, sprachen meist mehrere Sprachen und verfügten über eine Menge Hintergrundwissen. Sie standen für die moderne Frau der späten 50er Jahre. Ein paar Fakten:
- Gesamthöhe: 102 m
- Fläche eines Stockwerks: 240 m²
- Kugeldurchmesser: 18 m
- Durchmesser der Rohre: 3,3 m
- Länge der Rohe: 23 bis 26 m
- Material: Beim Bau 1958 2.400.000 kg, nach der Sanierung 2006 kamen 100.000 kg dazu



Wir konnten zu Beginn wählen, ob wir mit dem Aufzug in die obere Kugel fahren wollten oder mit der Rolltreppe drei der mittleren besuchen. Allerdings sind auch nicht auch nicht alle Kugeln ausgebaut. Wir haben uns für die obere Kugel und somit für die längere Schlange entschieden. Machte aber nichts – wir mussten etwa 30 bis 40 Minuten warten, das ging klar. Wir wurden in den Aufzug gestopft (da kam die FFP2-Maske zum Einsatz) und fuhren nach oben. Der Ausblick über Brüssel war beeindruckend, aber auch nicht allzu spektakulär. Besser gefallen hat mir tatsächlich der zweite Part: Als es nach einem kleinen Panoramagang in der oben Kugel direkt wieder mit dem Aufzug nach unten ging, konnten wir auch nachträglich noch die Rolltreppen (und später die Treppen) nutzen, um die anderen begehbaren Kugeln zu „besichtigen“. In jeder der Kugeln waren geschichtliche Infos zum Atomium aufbereitet: Kopien der Konstruktionsskizzen, Zeitungen von damals, die über die neueste Errungenschaft Brüssels berichteten oder Informationen dazu, warum ein paar junge Frauen eine ganz besondere Rolle im Kontext der Weltausstellung einnahmen.

Die einzelnen Ausstellungen waren total interessant. Weiter oben gab’s in den Röhren, die die Kugeln miteinander verbinden Lichtershows und in einer der Kugeln eine komplette Lichtinstallation – wenn ich mich recht erinnere, stand auf einem der Schilder, dass die Kugeln von Zeit zu Zeit Künstler*innen für ihre Installationen zur Verfügung gestellt werden. Eine weitere Ausstellung beinhaltete auch die letzte Kugel, die wir besucht haben: View from my window. Aus über 200.000 Einsendungen wurden 400 Bilder ausgewählt, die die verschiedensten Perspektiven und Blickwinkel – eben aus einem Fenster – auf der ganzen Welt darstellen.
Mein Fazit: Ein Besuch lohnt sich! 16 Euro Eintritt pro Person finde ich okay.
Brügge und Oostende
Ursprünglich spielten wir mit dem Gedanken, nach Brügge anstatt nach Gent zu fahren. Eine Kollegin riet uns davon ab – danke dafür! Gent habe ich als so viel schöner empfunden. Wir haben einen Abstecher in die Hauptstadt der Provinz Westflandern gemacht und versteht mich nicht falsch, Brügge ist eine wunderschöne Stadt. Aber es wirkte so, als sei zumindest das Zentrum nur für Tourist*innen gemacht. Ein Pralinenladen reiht sich an den nächsten, es gibt eine Menge Souvenirshops und zu Städten, in denen Pferdekutschen Besucher*innen rumkutschieren habe ich eh eher gemischte Gefühle. Wir haben eine Kleinigkeit zu Mittag gegessen und sind dann etwas abseits durch die Gassen geschlendert und die waren auch wirklich schön. Aber obwohl Gent mehr als doppelt so viele Einwohner hat als Brügge, war es dort so viel voller. Man muss sicher erwähnen, dass wir an einem Samstagmittag dort waren, das wird sein Übriges getan haben. Vielleicht habe ich auch einen falschen Eindruck bekommen, aber aktuell würde ich kein zweites Mal nach Brügge fahren.


Allerdings sind wir von dort aus nach Oostende ans Meer gefahren – die Fahrt hat etwa 40 Minuten gedauert. Dort war’s sehr schön. Es gab Toiletten und einen kleinen Kiosk, der Strand war gepflegt, aber nicht überlaufen. Wir haben uns in die Dünen gelegt und einen richtig schönen Nachmittag verbracht. Das ist etwas Schönes an Belgien: Wenn man einmal dort ist, dann sind die Wege im Land wirklich überschaubar. Und so ist man in einigen Minuten weg aus dem Stadtgetümmel und direkt am Meer.




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